In München am Oberwiesenfeld

In München am Oberwiesenfeld starteten Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts eine Vielzahl von Firmen ihr Engagement im Flugzeug- und später im Motorradmotorenbau. Der Blogbeitrag versucht Schlaglichter aus dieser Zeit aufzugreifen und führt bis zur Markteinführung der spannenden BMW R32.

BMW M2 B33 Motor der R32
BMW M2 B33 Motor 31140 der R32 Serie1 – aufgenommen im BMW Museum München

Von Flugzeug- zu Motorradmotoren

Der Name oberwiesenfeld.tech wurde gewählt um an die technischen Leistungen zu erinnern, die in München am Oberwiesenfeld Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts im Flugmotorenbau und später im Motorradmotorenbau erbracht wurden.

Danksagung

Die Entwicklung der Motorradtechnik startete vor mehr als 100 Jahren. Wenn man heute den Blick zurückwenden möchte, ist das nur möglich – dank der Museen und Enthusiasten die sich um die Erhaltung der Technik und Zusammenfassung der Informationen kümmern. Viele der Fotos und Information in diesem Blog wären sonst gar nicht machbar gewesen. Mein besonderer Dank gilt allen, die dabei mithelfen, diese Geschichte erlebbar zu machen. Dabei besonders dem BMW Group Archiv und Museum, dem Motorradmuseum Vorchdorf, dem PS-Speicher in Einbeck und dem Motorradmuseum auf der Augustusburg.

Ein erster grober Blick in die Geschichte am Oberwiesenfeld führt uns zu diesen Unternehmungen.

Gustav Otto-Flugmaschinenwerke

Gegründet von Gustav Otto am 15.12.1910. Eingetragen im Handelsregister am 15.03.1911. Er war der Sohn von  Nicolaus August Otto, nach dem 1946 der Ottomotor benannt wurde (Mönnich, 1991, S.33). Die Firma war u.a.  in der Schleißheimer Straße 135 in München am Oberwiesenfeld, tätig.

Otto-Werke GmbH

Dem BMW Group Archiv können wir entnehmen, dass Gustav Otto die Gustav Otto Flugmaschinenwerke am 12.01.1915 in Otto-Werke umbenennt (Otto, 1915, Otto-Werke/Bayerische Flugzeugwerke (BFW). 1910).

Rapp Motorenwerke (München) GmbH

In der Schleißheimer Straße 288 gegründet von Julius Auspitzer und Karl Rapp am 27.10.1913 (Rapp, K. 1913, Pierer, C. (2011) S.12).

Bayerische Flugzeugwerke AG (BFW)

Gegründet am 07. März 1916 in der Neulerchenfeldstraße 76 (heute Lerchenauer Straße) (Mönnich, 1991, S.20).

Bayerische Motorenwerke AG (BMW)

Als Gründungsdatum wird in der Unternehmensgeschichte der 07. März 1916 geführt. Der Aufbau des Unternehmens wurde wesentlich durch Camillo Castiglioni (Investor, Aktionär), Generaldirektor Franz Josef Popp und Chefkonstrukteur Max Friz (BMW Group Classic (2018): BMW Group Classic Historie | 1916 Gründung von BMW) geprägt. Eine detaillierte Beschreibung der Gründungsgeschichte der BMW AG liefert auch Christian Pierer in „Die Bayerischen Motoren Werke bis 1933“ (Pierer, C. (2011)), der Artikel „Die Gründungsgeschichte der Bayerischen Motorenwerke“ (BMW-Mobile-Tradition (2006)) und auch das Historische Lexikon Bayerns im Artikel von Jürgen Seidel (Seidel, J. (2018)).

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Hier flogen einst die Blériot Eindecker von Gustav Otto –  Blick auf das Münchner Oberwiesenfeld im Frühjahr 2018

Horst Mönnich beschreibt die Abläufe in „BMW Eine deutsche Geschichte (Mönnich, 1991)“ eindrucksvoll. Er lässt die Suche der Unternehmen nach den besten Lösungen lebendig werden. Motoren werden gebaut, geprüft und wieder zerlegt. Das aus dem Flugzeugbau bekannte Vorgehen wird auch auf den Bau von Motorradmotoren übertragen. Nach dem Versailler Vertrag war ein Flugzeugbau in Deutschland verboten. Auf der Suche nach Alternativen entschieden sich einige Firmen nun für den Bau von Motorradmotoren und/oder Motorrädern.

Flottweg (Otto-Werke)

Flottweg der Otto-Werke München
Flottweg der Otto-Werke München – aufgenommen im Motorrad Museum Vorchdorf
Hubraum168 ccm
Leistung2 PS

Neben der Flottweg wurde von den Otto-Werken auch ein Fahrradhilfsmotor gebaut.

Die Leistung des Hilfsmotors wird auf dem Typenschild mit 0.8 (BR.-) PS angegeben. Ausgestellt wurde der hier abgebildete Hilfsmotor auf der MotorClassic Messe 2017 in Berlin. Der Hilfsmotor ist auf der Vordergabel und der Lenkstange montiert. Eine Rollenkette verbindet den Motor mit der Vorderradnabe in der auch eine Kupplung untergebracht ist.

Flottweg von 1922 der Otto Werke – aufgenommen im Deutschen Motorradmuseum Neckarsulm ausgestellt als Leihgabe vom Deutschen Museum

M2 B15 Motor BMW (1920) im Douglas Fahrgestell

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BMW M2B15 Motor im Rahmen der Douglas – aufgenommen im Motorradmuseum Vorchdorf

Technische Details zum M2 B15 Motor

Hubraum486 ccm
Zylinder2 (seitengesteuert)
Motornummern25001 .. ?
Leistung6,5 PS bei 2800 U/min

Die Angaben in der Tabelle stammen aus Rönicke, F. (2013) S.16 ff.

Max Friz und Martin Stolle entwickeln den M2 B15 Motor, der ähnlich wie derjenige, der englischen Douglas als Boxermotor ausgelegt ist. Der Motor ist seitengesteuert und besitzt Leichtmetallkolben (Aluminium). Verkauft wird der Bayernmotor an verschiedene Hersteller.

Die Firma Victoria in Nürnberg stattet damit die KR1 aus.

Im Motorradmuseum Vorchdorf ist ein österreichisches Motorrad mit dem Namen Bison auf Basis des M2B15 Motors zu sehen. Details zur Bison hat das Motorradmuseum auf einer Webseite zur Bison zusammengefasst.

Die Hoco-Werke Hohmeyer & Co. AG in Minden-Meissen stellten im Jahre 1924 ebenfalls ein Motorrad mit dem M2B15 Motor her (Stegmann, Hans-Lothar / Vennekate, Johann Kleine (2009) , S. 9).

Die folgenden Bilder zeigen Aufnahmen der Victoria KR1, der Helios und des Prototypen mit Douglas Fahrgestell und M2B15 Motor.

Der Blogartikel Bayern-Kleinmotor Type M2 B15 auf oberwiesenfeld.tech ist speziell der Technikgeschichte des M2 B15 Motors gewidmet.

Flink (Bayerische Flugzeugwerke AG, BFW)

Das Leichtmotorrad Flink war der Beginn der Motorradproduktion bei den Bayerischen Flugzeugwerken (Rönicke, 2013 S.16). Die Flink wurde 1921 von Dr. Ing. Karl Rühmer konstruiert. Der Zweitaktmotor war eine Zulieferung der Curt Hanfland GmbH Motorenwerke, Berlin-Weißensee (Hfd Kurier, 1922).

Hubraum143 ccm
Leistung2,5 PS
Drehzahl3.500 U/min
Bauzeit1921 – 1923

Ein restauriertes Modell der Flink ist im Motorradmuseum Vorchdorf ausgestellt (Stand 06/2017).

Helios (Bayerische Flugzeugwerke AG, BFW)

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Die Helios der Bayerischen Flugzeugwerke AG München – aufgenommen im PS-Speicher Einbeck

Neben der Flink, war die Helios das zweite Motorrad, welches von den BFW hergestellt wurde. Der BMW M2B15 Motor ist hier von der Schwungradseite zu sehen (PS-Speicher in Einbeck).

Helios ( Serie III ) in der Übersicht

Bohrung x Hub68,0 x 68,0 mm
Hubraum494 ccm
Leistung6,5 PS
KupplungMehrscheibentrockenkupplung
KraftübertragungGliederkette zum Hinterrad
Höchstgeschwindigkeit95 km/h
Bauzeit1921 – 1923
Stückzahl1015
MotorM2 B15, luftgekühlt, zwei Ventile pro Zylinder, seitengesteuert,
außenliegende Schwungscheibe 280mm
GetriebeHandgeschaltetes Dreiganggetriebe
Tankinhalt12 l
ZündungHochspannungszündmagnet BOSCH BA 2 oder Noris WB 2

Im Klassik Motorrad Magazin (Persy, J. 2021) ist ein detailreicher Artikel zu einer Helios Serie III mit der Fertigungsnummer 964 und der M2 B15 Motornummer 27859 erschienen.

Im BMW Archiv existiert ein Foto mit dem Titel „Die letzte vom Stamme Helios“ von der Fertigstellung der letzten Helios am 10.11.1923 (Helios. 1921). Dort ist die Fertigungsnummer 1015 angegeben.

R32 (BMW) – das Phänomen aus der Riesenfeldstraße

Martin Stolle hatte BMW zum 31.12.1921 verlassen und in der Firma Wilhelm Sedlbauer einen neuen Motor entwickelt, den die Nürnberger Victoria-Werke nun anstelle des M2 B15 Motors der BMW bezogen.  Damit war der Hauptabnehmer des BMW Motors weggebrochen.

Friz, die paar Stahlröhrl machen wir auch selber.

Sagte Franz Josef Popp zu Max Friz (Mönnich, 1991, S133). So kurz können Pflichtenhefte sein.

Zu Hause in der Riesenfeldstraße arbeitete Max Friz am Entwurf eines neuen BMW Motorrades. Das neue Motorrad hatte den Motor nun quergestellt, so daß beide Zylinder gleichermaßen im Luftstrom lagen. Die Antriebskette war durch einen Wellenantrieb ersetzt und der Rahmen war eine Neukonstruktion (doppel Stahlrohrrahmen). Die Konstruktion wurde 1922 gemacht und bei der Deutschen Automobilausstellung vom 28.09.1923 – 03.10.1923 in Berlin vorgestellt (BMW-Mobile-Tradition (2003)).

Der in der BMW R32 eingebaute Motor hatte die Bezeichnung M2 B33 (Rönicke, 2013) in Weiterentwicklung des M2 B15 Motors der Helios.

BMW R32 in der Übersicht

MotorViertakt, Zweizylinder-Boxer, luftgekühlt
Hubraum486 ccm
Zylinderbohrung68 mm
Kolbenhub68 mm
Drehzahl3.300 U/min
Leistung6,25 kW (8,5 PS)
Verdichtung5,0 : 1
Höchstgeschwindigkeit95 km/h
Leergewicht122 kg
Bauzeit1923 bis 1926
Stückzahl3090
Motornummern31000 – 34100

Die in der Tabelle dargestellten technischen Daten stammen aus verschiedenen Quellen. Dem Betriebshandbuch (BMW-Kraftrad Type R 32. (1921)), dem BMW Typenatlas (Kämpfer, T. / Groh R. (2013), S. 22) und der Übersicht BMW Motorräder 1923-1969 (Stegmann, Hans-Lothar / Vennekate, Johann Kleine (2009) , S. 205).

Die Leistung von 8,5 PS ist als Bremsleistung benannt. Im Unterschied zur damaligen Klassifikation der Leistung nach Steuer- bzw. ADAC-Formel.

BMW Group Classic (CLOSEUP: BMW R32. (2017)) hat in ihrer CLOSEUP Reihe einen Videoclip zur R32 mit Motornummer 32514 veröffentlicht. Insgesamt wurden die M2B33 Motoren der Nummernbereiche 31000 – 34100 für die R32 ausgeliefert.

Im Unterschied zum dargestellten Modell, wurde die erste Serie noch ohne Vorderradbremse nur mit der hinteren Klotzbremse ausgeliefert. Man erkennt dies an folgendem Bild einer R32 mit Motornummer 31140, dort ist noch keine Vorderradbremse verbaut.

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BMW R32 Serie 1 von 1923 – aufgenommen im BMW Museum München

Die BMW R32 legte mit ihren typischen Konstruktionsmerkmalen (Wellenantrieb, 2 Zylinder Boxermotor) den Grundstein für eine erfolgreiche Motorradproduktion in München am Oberwiesenfeld.