Das 500 ccm B.M.W. – Kraftrad Type R 32

Die BMW R 32: Ein Meilenstein der Technikgeschichte und seine Innovationen

Es gibt sie – diese besonderen Momente in der Geschichte. Bekanntes wird mit einem Mal so kombiniert, dass etwas vollkommen Neues entsteht.

Wann ist das passiert? Ein Meilenstein in der Technikgeschichte? Was macht sie so besonders? Wer hat dieses Motorrad konstruiert? Wie kam es zu ihrer Entwicklung?

Auf diese Fragen möchte dieser Blogbeitrag ein erstes Schlaglicht werfen.

Schauen wir erstmal zurück in die Zeit vor 1923, um einige wenige Details der Entstehungsgeschichte näher kennenzulernen …

BMW R32 mit Motor 31140 ca. 1923 – aufgenommen im BMW Museum München am 07.11.2013

Was macht sie so besonders?

Es ist die konsequente Aggregation von bewährten Komponenten, die in der R 32 statt gefunden hat. Die neu gedachte Anordnung folgte dabei technischen Prinzipien, die dem übergeordneten Interesse nach einem reibungslosen und stabilem Betrieb folgen.

Was für Lösungen waren das?

Für die Motorisierung des Rades wurde der im eignen Hause vorhandene Boxermotor M2 B15 (Helios) als Grundlage verwendet. Die wesentliche Neuheit bei der R32 bestand in der Drehung des Motors, so dass er nun quer zur Fahrtrichtung lag. Die notwendige Gehäusemodifikation zur Montage führte zur neuen Modellbezeichnung M2 B33 für den Boxermotor der R32. Neben der nun weitaus besseren Luftkühlung der beiden Zylinder, die nun direkt im Fahrtwind lagen, ergab sich durch die neue Lage der Kurbelwelle, der Getriebewellen im angeblocktem Getriebe G34 und der Kardanwelle zum Hinterrad eine Verbesserung der Kraftübertragung, da alle drei Wellen in gleicher Richtung (Fahrtrichtung) lagen. Erst am Hinterrad erfolgte die notwendige 90 Grad Umlenkung des Kraftflusses durch eine gekapselte Teller- Kegelrad Kombination.

Das Fahrgestell wurde als leichter Doppelschleifen Rohrrahmen entworfen. Vom Steuerkopf zum Hinterrad wurde eine geradlinige Verbindung hergestellt, die über einen Rohrbogen (links) bzw. dem Hinterradantrieb (rechts) unter dem Motor zurück zum Steuerkopf lief. Dieses Konzept wurde in den Folgejahren fortgeführt.

Die kompakte Motor- und Getriebeeinheit vgl. Knittel, S. Slabon R. (1992), Streblow,N (2023) hatte keine zusätzliche Primärkette zwischen Motor und Getriebe nötig. Das Getriebe wurde direkt an den Motor angeschraubt. Beim Vergleich mit anderen zeitgenössischen Modellen fällt zudem auf, dass keine außenliegenden Ölleitungen vorhanden waren.

Die tief im Fahrgestell montierte Motor-Getriebe Kombination sorgt für einen niedrigen Schwerpunkt der R32. Ein niedriger Schwerpunkt ergibt Vorteile bei Richtungsänderungen und beim Durchfahren von Wechselkurven vgl. Stoffregen, Jürgen (2012) S. 374 ff. Vor- und Nachteile von höheren und niedrigen Schwerpunkten werden durchaus kontrovers diskutiert.

Mit der R 32 war aus der Kombination von durchaus bekannten Einzellösungen (Boxermotor, Kardanantrieb, Vorderradfederung, Verbund von Motor und Getriebe, Rohrrahmen) und den in der Fertigung eingesetzten technischen Standards und Erfahrungen im Flugmotorenbau (u.a. BMW IIIa und BMW IV Motoren (Grunert, M. Triebel, F. (2006) S. 204ff) ein neuer Meilenstein in der Geschichte der Motorradtechnik erreicht worden.

Im Vergleich zur damaligen Konkurrenz wirkte das Motorrad wie aus einem Guß.

Zitatquelle BMW-Mobile-Tradition (1997) S.17

Was passierte vor der Entwicklung der R 32?

Die folgende Grafik zeigt Ereignisse und Entwicklungen die im Vorfeld der Präsentation auf der Deutschen Automobilausstellung 09/1923 stattgefunden haben. Eine Info zu den Ziffern folgt unterhalb der Grafik.

Auf dem Weg zur R 32 - Einige Entwicklungen und Ereignisse im Vorfeld der Entwicklung des B.M.W. Kraftrades Type R 32 mit Motor M2 B33 - ca. 1920 - 1923.
Auf dem Weg zur R 32 – Einige Entwicklungen und Ereignisse im Vorfeld der Entwicklung des B.M.W. Kraftrades Type R 32 mit Motor M2 B33 – ca. 1920 – 1923
  1. Flottweg war ein Leichtkraftrad (168 ccm, 2 PS) der Otto-Werke München.
  2. Das Leichtmotorrad Flink war der Beginn der Motorradproduktion bei den Bayerischen Flugzeugwerken (Rönicke, 2013, S.16). Die Flink wurde 1921 von Dr. Ing. Karl Rühmer konstruiert. Der Zweitaktmotor war eine Zulieferung der Curt Hanfland GmbH Motorenwerke, Berlin-Weißensee (Hfd Kurier, 1922).
  3. Neben der Flink, war die Helios das zweite Motorrad, welches von den BFW hergestellt wurde. Verbaut war der M2 B15 Motor.
  4. Martin Stolle hatte BMW zum 31.12.1921 verlassen und in der Firma Wilhelm Sedlbauer einen neuen Motor entwickelt, den die Nürnberger Victoria-Werke nun anstelle des M2 B15 Motors der BMW bezogen.  Damit war der Hauptabnehmer des BMW-Motors weggebrochen.
  5. Max Friz führte Verbesserungen am Fahrwerk der Helios durch, um deren Fahrstabilität zu verbessern. In der Literatur gibt es Hinweise, dass Erfahrungen aus den Arbeiten mit in die Konzeption des Doppelschleifen Rohrrahmens der BMW R32 eingeflossen sind.
  6. Detailierung und Bau der ?5? Prototypen folgte. Vgl. dazu Mönnich, H. (1991), S. 128 ff, Stegmann, Hans-Lothar / Vennekate, Johann Kleine (2009), S.10 u.a. im Austausch zwischen Max Friz, Rudolf Schleicher und ACM Clubsportleiter Franz Bieber (ACM (1978), S.18 ). Max Friz prüfte den Prototypen der BMW R32 u.a. in der „Fahrt durch Bayerns Berge“.

Welche Detaillösungen waren vor der R32 schon eingesetzt worden?

Wellen- oder Kardanantrieb

Vorderradfederung

  • Doppelte Auslegefeder ähnlich der ?1919 N-19? Indian Modelle. Kevin Cameron stellt die Analogie zu einer Indian in [Cameron, Kevin. (2009)] S. 90 her.

Zweizylinder Motor quer im Rahmen verbaut

Motor

  • Der Bayern Kleinmotor Type M2 B15 war bereits erprobt und erfolgreich in einer Vielzahl von Fahrzeugen im Einsatz (u.a. Victoria K.R.I., BFW Helios). Er diente als Ausgangsbasis für den M2 B33 Motor der R 32.

Wer hat dieses Motorrad konstruiert?

Max Friz erhielt den Auftrag, Vorschläge für ein neues Motorrad vorzubereiten. Rückblickend beschrieb er die Situation wie folgt.

Da wir den 500-ccm-Boxermotor schon hatten, sollte dieser verwendet werden. Da aber der hintere Zylinder des Boxermotors sowohl bei der englischen Douglas aus auch bei der Victoriamaschine zu warm wurde, schlug ich vor , den Motor querzustellen. Damit war auch der Kardanantrieb gegeben, weil auch bei einer Kettenmaschine ein Kegelräderpaar erforderlich gewesen wäre. Da wir in den Ottowerken noch kein richtiges Konstruktionsbüro hatten, habe ich den Entwurf des Motorrades in meiner Wohnung, Riesenfeldstraße 34, ausgearbeitet. Der Entwurf wurde mit Herrn Popp öfters besprochen, bis Form desselben auch von ihm gutgeheißen wurde. Anschließend daran wurde das Motorrad detailliert.
Drei Tage nach der Fertigstellung des ersten Motorrades meldete ich mich mit dem Rad zur Fahrt durch Bayerns Berge, die ich strafpunktfrei zurücklegte.

Zitatquelle Max Friz über die R 32 in Mönnich, H. (1991) S.13

Das folgende Bild zeigt das Gebäude in der Riesenfeldstraße in dem der Entwurf der R 32 im Winter 1922/23 stattgefunden hat [Mönnich, H. (1991), BMW Group Archiv (2021), Schuler, R. (1998)]. Ein Foto aus dem Jahre 1920 ist im BMW Archiv verfügbar.

Blick auf die Riesenfeldstraße 34 (linke Seite) – Aufgenommen am 06.04.2018

Im Frühjahr 1923 wurden die ersten 5 Prototypen hergestellt [Stegmann, Hans-Lothar / Vennekate, Johann Kleine (2009)] S. 10. Testfahrten und erfolgreiche Teilnahme an Motorradrennen schließen sich an.

Wo wurde die R 32 der Öffentlichkeit präsentiert?

Auf der Automobilausstellung in Berlin (28.September – 7. Oktober 1923, Stand Nr. 238) präsentiert BMW erstmals das Kraftrad Type R 32 auf einer landesweiten Messe [Stünlein,G. (1923), BMW Group Archiv (2022), Fahrenholz, P. (2023)].

Signet der Deutschen Automobil-Ausstellung Berlin 1923 auf einem Brief vom 26.09.1923 [Signet DAA (1923)]

Der Ausstellungsbericht in der Zeitschrift „Der Motorwagen 27/1923“ beschreibt das neue Motorrad mit diesen Worten.

Und endlich der Gipfelpunkt der Ausstellung, die neue BMW Maschine (494 ccm) mit quer zur Fahrtrichtung gestellten Zylindern, eine trotz ihrer Jugend auffallend schnelle und erfolgreiche Maschine.

Zitat aus [Stünlein, G. (1923)]

BMW R32 mit Motor 31140 ca. 1923 – aufgenommen im BMW Museum München am 07.11.2013

Stückzahl, Nummernkreis und Motornummern

Hergestellt wurden 3090 Motorräder im Produktionszeitraum 1923 – 1926. Die Tagesproduktion soll 1924 bei 5 Motorrädern pro Tag gelegen haben [Rönicke, F. (2013)] S.23. Der Motornummernkreis für den M 2 B 33 Motor läuft von 31000 – 34100 mit Fahrgestellnummern von 1001 – 4100.

Motor
nummer
Wo gesehen?
31032PS Speicher Einbeck
31140BMW Museum München (06.04.2018)
31559 (?)Vorstellung im Buch „Ultimate Collector Motorcycles“ [Fiell, C. Fiell, P. (2023), BIKEEXIF(2023)]. R32 von 1924 mit Bezeichnung „Courtesy of BONHAMS“.
31866Vorstellung in der Zeitschrift Klassik Motorrad vgl. [Soppa, J., Mayer R. (2023)] Verbaut in R32 mit schöner Patina und sehr sehenswerten Zustand.
31890Ausstellung „100 Meisterstücke“ im Technik Museum Speyer (07.10.2016 – 31.03.2017)
32514BMW Classic Stand auf den BMW Motorrad Days 2022 (02.07.2022 – 03.07.2022) Berlin
Verwendung im Videoclip [CLOSEUP: BMW R 32. (2017)]
32588The Dr. Peter and Ulrike Bühner Collection of important pioneer and collectors‘ motorcycles and Motor Cars (1 February 2023), Paris, The Grand Palais Éphémère [Bonhams(2023)]
32696Motorrad Museum Vorchdorf Motorenausstellung (31.08.2015)
32994Verbaut in BMW R32 mit Boschhorn, Tachometer und Bremse der ersten Serie. Sehr schön erhaltene Patina. Ausgestellt auf dem BMW Group Classic Event „BMW Classic Day 2024“ am Samstag den 10. August 2024 im Brand Experience Center in Dielsdorf (Schweiz).
33206Motorrad Museum Vorchdorf Schnittmodell einer BMW R 32 (31.08.2015)
33255Vorstellung auf der Auktion LasVegasMotorcycles (2023), 32ND Annual Vintage & Antique Motorcycle Auction, Als besondere Eigenschaften werden die Restaurierung von Hubert Fehrenbach und die Teilnahme an der Ausstellung „The Art of the Motorcycle“ (1998) im Guggenheim Museum, genannt.
33312BMW Motorrad Welt Berlin, Fahrzeug wurde unter Bezug auf 100 Jahre BMW Motorrad ausgestellt (30.09.2023). Ebenfalls ausgestellt zu den Classic Weeks 2025 (27.03.2025 ).

BMW R32 Motornummer 33312 – aufgenommen in der BMW Motorrad Welt Berlin am 27.03.2025

Welche bekannten Unterschiede gab es in der Serienproduktion von 1923 – 1926?

Serie 1 (1923, 1924)

  • Keine Bremse im Vorderrad. Die Handhebel der Vorderbremse wirkte zusammen mit der Fußbremse auf eine Keilscheibe (450 mm) am Hinterrad.

Serie 2 (1925, 1926)

Impressionen von der R 32 im Video

BMW Group Classic (CLOSEUP: BMW R 32. (2017)) hat in ihrer CLOSEUP Reihe einen Videoclip zur R 32 mit Motornummer 32514 veröffentlicht.

▶ Technische Daten

Motor

BezeichnungM 2 B 33
Leistung8,5 PS bei 3300 Umdrehungen pro Minute
Hubraum494 ccm
Zylinderbohrung68 mm
Kolbenhub68 mm
VergaserBMW Vergaser Spezial 22mm
Gewichtca. 31kg
TypSeitengesteuerter Zweizylinder Boxermotor luftgekühlt mit offenliegendem Schwungrad, Aluminium-Kolben, 180 Grad Hubzapfenversatz
Leistung8,5 PS bei 3200 U/min
Verdichtung5,0 : 1

Getriebe und Kraftübertragung

Anzahl der Gänge3
KupplungEinscheibenkupplung mit Ferodobelag
BauartTyp G 34, direkt am Motor mit der Kurbelgehäuseverlängerung
SchaltungHandschaltung mit Schaltkulisse am Tank (rechts)
Übersetzungen
im Getriebe
2,27/1,50/1,08
Übersetzung
am Hinterrad
Kegel- zu Tellerrad Solo 1:4,41 (17/75 Zähne)
Seitenwagenbetrieb 1:5,36 (14/75 Zähne)
HinterradantriebGekapselt in einem glatten Aluminiumgehäuse

Fahrwerk

RahmenDoppelschleifen-Rohrrahmen
Federung
Vorderrad
Doppelte Auslegefeder
Federung
Hinterrad
Keine, Starrahmen
Vorderrad26″ x 2,5″ oder 26″ x 3,0″
Hinterrad26″ x 3,0″
Bremse vornR 32 Serie 1 hatte vorn keine Bremse
Ab R 32 Serie 2 vorn Innenbacken Trommelbremse (Durchmesser 155mm)
Bremse hintenKeilklotzbremse

Allgemeine Fahrzeugdaten

Produktionszeitraum1923 – 1926
LeergewichtSolo 122 kg
Inkl. Seitenwagen 184 kg
Radstand1380 mm
Kraftstoffverbrauchca. 3 l pro 100 km
Höchstgeschwindigkeitca. 95 – 100 km/h
Ölverbrauchca. 2,5 l pro 1000 km
Tankca. 14 l Benzin, ca. 2 l Öl
▶ Auszug aus der Preisliste Nr. 28 für B.M.W.-Motor-Räder (1925)
B.M.W. Tourenrad 1,9/8.5 PS, Type R 32, 500ccm, mit Kardanwellenantrieb, 3 Ganggetriebe, Vorderradbremse, komplette Bereifung 26×3″, Werkzeug und Reserveteilen, jedoch ohne sonstige Anbauteile, besonders als Sozius und Beiwagenmaschine geeignet.G.-Mk. 2.200.–
Sonderausstattung
Boschlichtanlage CII, 15 Watt, kompl. mit Scheinwerfer für Stadt- und Landlichtmit Montage, Mehrpreis G.-Mk. 220.–
Boschhorn U/IV/6mit Montage, Mehrpreis G.-Mk. 55.–
Kilometerzähler mit Gesamtzählermit Montage, Mehrpreis G.-Mk. 65.–
Soziussitz mit Fußrastemit Montage, Mehrpreis G.-Mk. 70.–
Hupe eintönigmit Montage, Mehrpreis G.-Mk. 10.–

Datenquellen sind Knittel, S. Slabon R. (1992)BMW-Mobile-Tradition (1997), Grunert, M. Triebel, F. (2006) S. 265ff und das Handbuch BMW-Kraftrad Type R 32. (1921)

Danksagung

Die Entwicklung der Motorradtechnik startete vor mehr als 100 Jahren. Wenn man heute den Blick zurückwenden möchte, ist das nur möglich – dank der Museen und Enthusiasten, die sich um die Erhaltung der Technik und Zusammenfassung der Informationen kümmern. Viele der Fotos und Information in diesem Blog wären sonst gar nicht machbar gewesen. Mein besonderer Dank gilt allen, die dabei mithelfen, diese Geschichte erlebbar zu machen. Dabei besonders dem BMW Group Archiv und Museum, dem Motorradmuseum Vorchdorf, dem Deutschen Zweirad- und NSU-Museum, dem PS-Speicher in Einbeck, dem Motorradmuseum auf der Augustusburg und der BMW Motorrad Welt in Berlin ebenso den vielen Fachautoren die die spannenden Informationen in ihren Publikationen veröffentlichen. Danke.

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