Bayern-Kleinmotor Type M2 B15

Vor mehr als hundert Jahren wurde ein Motor konstruiert und gebaut, dessen Bauprinzip als Boxermotor bis heute im Motorradmarkt Verwendung findet. Wieso ist dieser „Bayern-Kleinmotor M2 B15“ so ein Meilenstein? Wie kam es dazu? Wo wurde er verbaut? Auf diese Fragen möchte dieser Blogbeitrag ein kleines Schlaglicht werfen.

Gehen wir also mehr als hundert Jahre in der Zeit zurück …

Bayernmotor M2 B15 Motornummer 26476 – aufgenommen im BMW Classic Depot 09/2018

Was macht diesen Motor so interessant?

Der M2 B15 Bayernmotor mit seinen gegenüberliegenden Zylindern ist der erste Boxermotor der von den Bayerischen Motoren Werken entwickelt wurde. Er war ein wichtiger Schritt in der bis heute anhaltenden Geschichte des Boxerprinzips in Motorrädern. Zwar dauert es noch bis zum Nachfolgemodell M2 B33 in der BMW R32 bis der Motor quer zur Fahrtrichtung eingebaut wurde, und damit von der Kühlung der Zylinder im Fahrtwind profitierte. Aber das vibrationsarme Bauprinzip war bereits im M2 B15 eingeführt.

Wie kam es dazu?

Im Frühjahr 1919 erhält ein Entwicklungsteam um Werkmeister Martin Stolle und dem späteren Chefkonstrukteur Max Friz (ab 1925, BMW Group Archiv (2021)) den Auftrag von der Geschäftsführung einen Kleinmotor zu entwickeln. Grundsätzlich wurden nach dem Wegfall des Flugmotoren Geschäftsfeldes neue Einsatzmöglichkeiten für den Motorenbau gesucht. Mit dem Bayern-Kleinmotor sollten nicht nur Motorradhersteller angesprochen werden sondern auch Einsätze als kleine Stationärmotoren waren angedacht.

Wieso heißt der Motor Kleinmotor?

Bis 1919 stand bei den Bayerischen Motoren Werken die Herstellung von Flugmotoren (BMW IIIa 1917-1919, BMW IV 1918-1919, 1924-1927) mit Leistungswerten um 240 PS oder 300 PS (Grunert, M. Triebel, F. (2006) S. 536) im Zentrum der Geschäftstätigkeit. Stellt man sich in dieser Tradition nun einen Motor mit 6,5 PS vor, so wird schnell klar warum dieser den Zusatz Kleinmotor erhielt.

Martin Stolles Douglas 2 3/4 HP 1913/1914 als Ideengeber?

Man kann annehmen, das das englische Douglas 2 3/4 HP (HorsePower) Motorrad aus dem Jahre 1914 welches Werkmeister Martin Stolle selber fuhr, Impulse für das Design des neuen Bayernmotors geliefert hat Rönicke, F. (2013), Streblow, N. (2023). Mit dem in der Douglas verbauten Flat-Twin Motor wurden gute Erfahrungen zum Beispiel bei der Zuverlässigkeitsfahrt Wien-München zu Pfingsten 1914 gemacht. Werkmeister Martin Stolle gewann dabei den dritten Preis. (https://bmw-grouparchiv.de/research/detail/index.xhtml?id=3804900).

Bekannte Eigenschaften einer Douglas 2 3/4 HP (Link zur Wikipedia)

Anzahl Zylinder	2
Hubraum	349 ccm
Leistung	2,75 PS

Motorenansicht einer Douglas 4HP von 1917 – aufgenommen im Moretonhampstead Motor Museum 2018

Die ersten sechs Versuchsmotoren (25001 .. 25006) wurden erstellt und der Motor 25001 wurde in den Douglas Rahmen verbaut. Wesentliche neue Merkmale des M2 B15 waren die Kapselung der Ventile und Führungen, Öl-Umlauf- statt Verlustschmierung und die bereits im Flugmotorenbau verwendeten Aluminiumkolben [Streblow,N (2023)]. Die Victoria Werke in Nürnberg entschieden wohl auf dieser Basis über den Zukauf des Motors. Die Lieferungen erstreckten sich über einen Zeitraum von 2 1/2 Jahren.

Der M2 B15 Motor als Versuchsträger im Rahmen einer Douglas – aufgenommen im Motorradmuseum Vorchdorf 2018

Weitere Details aus der Erprobungsphase und Betrieb ?

Ein Foto aus der Entwicklungszeit des Bayern-Kleinmotors als Versuchsträgers noch im Douglas Rahmen mit M2 B15 Motor und Kennzeichen IIA-581 kann im BMW Group Archiv unter (https://bmw-grouparchiv.de/research/detail/index.xhtml?id=2825830) eingesehen werden.

Das Schäftlarner Bergrennen 1921 gewinnt Martin Stolle auf der Victoria KR1 [ACM(1978) S.12.].

Fotos von einer Ausfahrt mit dem M2 B15 Motor 1922, verbaut in Victoria KR1 Fahrzeugen, Kennzeichen IIA-793 und IIA-55 (https://bmw-grouparchiv.de/research/detail/index.xhtml?id=671510).

Beschreibung des Motors vom Hersteller

Folgendes Zitat zum Bayern-Kleinmotor stammt aus [Bayern-Kleinmotor Type M2 B15 (?1920?)], [Vincken, N. (2020)]

Kundeninformation zum Bayern-Kleinmotor, Type M2 B15

Unter den Klein-Motoren mit gegenüberliegenden Zylindern zeigt der Bayernmotor besonders geschickte Durcharbeitung aller Einzelheiten und fällt auf durch seinen absolut ruhigen und geräuschlosen Gang, der sich aus dem günstigen Massenausgleich, aus der Verwendung von Aluminium-Kolben und aus der erstklassigen Präzisionsarbeit aller Einzelteile ergibt.
Der Motor besitzt zwei luftgekühlte Grauguß-Zylinder mit je 68 mm Bohrung, die mit sorgfältig verteilten Kühlrippen versehen sind. Die Ventile sind über den Zylindern angeordnet und werden von der über der Kurbelwelle liegenden Steuerwelle zwangsläufig betätigt. Die Kurbelwelle wie die Steuerwelle laufen in Kugellagern. Auf der linken Seite der Kurbelwelle ist ein außenliegendes Schwungrad angebracht, auf dessen innerer Nabe ein Kettenrad für die Kraftübertragung auf ein Vorgelege aufgesetzt werden kann. Der Magnetapparat ist leicht abnehmbar über der Steuerwelle angeordnet, die Zündkerzen sitzen über den Ventilen. Die Pleuelstangenbüchsen sind in bewährter Ausführung aus Grauguss hergestellt, während die Pleuelstangenlager aus Bronze mit Weißmetallguss gefertigt sind. Für Schmierung sorgt eine Zahnrad-Ölpumpe, die innerhalb des Aluminium-Gehäuses sitzt und ohne irgendwelche Außenleitung filtriertes Öl durch die Kurbelwelle an die Verbrauchsstellen bringt. Der Vergaser eigner Konstruktion ist das Ergebnis eingehender Versuche auf dem Prüfstand und während der Fahrt und gewährleistet sehr geringen Brennstoffverbrauch (ca. 350 g pro PS/ST.) und große Elastizität des Motors.
Bei sachgemäßer Ausführung des Einbaus in Krafträder und Kleinautos schützt der Fahrtwind vollständig gegen Überhitzung, für ortsfeste Aufstellung wird das Schwungrad als Ventilator ausgebildet, der den Kühlwind in zweckmäßiger Weise den Zylindern zuführt.
Mit 68mm Zylinderbohrung und 68mm Kolbenhub ergibt sich ein Gesamthubvolumen von ca. 500ccm und eine Steuerleistung von 1.88 PS. Bei 3000 Umdrehungen/Min. leistet der Motor ca. 6.5 PS. Das Gewicht des Motors beträgt ca. 31 kg.

Zitatquellen sind Bayern-Kleinmotor Type M2 B15 (?1920?), Vincken, N. (2020)

Die Beschreibung und Betriebsanleitung des Motors mit Stand 09/1921 ist über das BMW Archiv einsehbar (Stand 05/2021).

Zeitgenössisches Zitat zum M2 B15

Das Magazin „The Motor Cycle“ beschreibt den Bayer-Kleinmotor „flat twin“ in der Ausgabe von 20. Januar 1921 wie folgt.

Motor Cycle Movement in Germany

(Talking about the M2 B15 engine) The design is wonderfully neat, and the engine is most up to date in every respect. The two cylinders, which have enclosed side by side valves, are mounted on an aluminium base chamber which forms an oil reservoir. The crankshaft is mounted in ball bearings, the connecting rods are tubular and aluminium pistons are used. The flywheel is external and the magneto, a high tension Bosch is placed on the top of the crank case. It is claimed that the engine will run under load at 3.400 revolutions, an will turn over at 5.000 revolutions without load.

Zitatquelle ist TheMotorCycle (1921).

Technische Daten in der tabellarischen Übersicht

Leistung	6,5 PS bei 3000 Umdrehungen pro Minute
Hubraum	494 ccm
Zylinderbohrung	68 mm
Kolbenhub	68 mm
Vergaser	BMW Vergaser
Gewicht	ca. 31kg
Typ	Seitengesteuerter Zweizylinder Boxermotor luftgekühlt mit offenliegenden Schwungrad, Aluminium-Kolben, 180 Grad Hubzapfenversatz
Produktionszeitraum	1920 – 1923

Ansichten von M2 B15 Motoren

Welche Fahrzeughersteller haben den Bayern-Kleinmotor M2 B15 eigentlich verbaut?

In vielen Museen sind heute noch die Victoria K.R. I Fahrzeuge zu sehen. Oft auch noch mit dem alten Herstelleremblem auf dem Zündmagnet. Aber was ist mit anderen Fahrzeugherstellern? Wo wurde der Motor noch verbaut? Die folgende Tabelle listet einige der Kunden auf. Kennen Sie noch weitere? Dann würden wir uns über einen Kommentar oder Hinweis sehr freuen.

Ansicht der Helios der Bayerischen Flugzeugwerke – aufgenommen im PS-Speicher Einbeck

Victoria KR1 – aufgenommen im BMW Museum München

Unvollständige Liste von Fahrzeugherstellern die den Bayernmotor M2 B15 verbaut haben

Falls irgendwo noch weitere Fahrzeughersteller bekannt sind die den M2 B15 eingesetzt haben, würden wir uns über eine kurze Info sehr freuen.

Hinweise auf die Verwendung des M2 B15 Motors bei der Firma Corona, Fahrradwerke und Metallindustrie Aktiengesellschaft Brandenburg an der Havel, Große Gartenstraße 28, konnten nicht bestätigt werden. Vgl. hierzu u.a. Werhahn, J. (2023) im Buch Vorfahren S. 247.

In Klassik Motorrad Nr. 04 /2020 Soppa, J. (2020), wird der Bayern Kleinmotor M2 B15 mit der Motornummer 25001 gezeigt. Verbaut ist in diesem Motor ein BOSCH Hochspannungszündmagnet FF 2. Viele Details zu den BOSCH Hochspannungszündmagneten hat der Stationär-Motoren-Club-Schweiz im Dokumente BOSCH-Zünder (siehe auch https://old-engine.ch/files/Magnetzuender_BOSCH.pdf) zusammengetragen.

Nummernkreis

Nummernkreis – erste Motornummer	letzte bekannte Motornummer
25001	? In Fotos bzw. der Literatur war die höchste von uns gefundene Motornummer 28219 (Augustusburg, in Victoria KR1)

Die Anzahl der insgesamt produzierten Motoren konnte noch nicht recherchiert werden. Falls sie Hinweise dazu haben freuen wir uns sehr über einen Hinweis in den Kommentaren. Danke.

Motornummern

Bei Motorradtreffen, in Museen oder in Zeitschriften werden immer mal wieder einzelne Motoren oder Fotos von M2 B15 Motoren gezeigt. Hier eine kleine Auswahl bekannter Fundstellen, sortiert nach ihrer Motornummer.

Motor nummer	Wo gesehen?
25001	Studiofoto von Gudrun Muschalla des ersten M2 B15 Motors unter Glas. Details können im BMW Group Archiv unter https://bmw-grouparchiv.de/research/detail/index.xhtml?id=8962595 eingesehen werden. Auch publiziert im Zeitschriftenartikel Klassik Motorrad Nr. 4 Juli/August 2020, S. 82 ff sowie in Streblow, N. (2023)
25011	CN 3/2020 S. 19 und Buch Rönicke, F. (2013) S. 16 Foto in der Beschreibung und Betriebsanleitung für Bayern-Kleinmotor Type M2 B15
25606	BMW Museum München, Motorradwand
25687	Museum Industriekultur, Museen der Stadt Nürnberg, Motorradmuseum (11/2028), verbaut in Victoria KR1 mit Fahrgestellnummer 1772
25904	Ausstellung und Fotos auf der Webseite vom MuseoNicolis. (2022)
26461	Versteigerung bei Bonhams (2008) als Teil der „The Professor Fritz Ehn Motorcycle Museum Collection“ am 30.06.2008
26476	BMW Classic Archiv (09/2018), Austellungsmodell 100 Jahre BMW Motorrad Jubiläumsausstellung München (05/2023), Ausstellungsmodell
27185	BMW Museum München, verbaut in Victoria KR1 100 Jahre BMW Motorrad Jubiläumsausstellung München (05/2023), Ausstellungsmodell
27535	Motorradmuseum Vorchdorf, Verbaut in Bison 312/S mit M2B15 von 1922.
27687	PS-Speicher Einbeck (09/2021), verbaut in einer Helios der Bayerischen Flugzeugwerke
27716	BMW Classic Archiv (09/2018), Motorenausstellung
28219	Motorradmuseum Augustusburg, verbaut in Victoria KR1